Überprüfung braucht Zeit

Sächsische Zeitung 21. April 2006

Streit. Warum darf ein Ex-IM kein Bürgermeister sein? Die SZ fragte dazu Lothar Hofner, Sprecher des Innenministeriums.

In Bannewitz wurde ein früherer Stasi-Mitarbeiter zum Bürgermeister gewählt. Warum darf er sein Amt nicht antreten?

Die Wählbarkeit ist in der Sächsischen Verfassung, im Landes-Beamtengesetz und in der Gemeindeordnung geregelt. Danach ist zum Bürgermeister nur wählbar, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt.

Das gilt für alle Bundesländer?

Ja. Darüber hinaus wurde dies in Sachsen insofern konkretisiert, als grundsätzlich nicht ins Beamtenverhältnis übernommen und damit nicht Bürgermeister werden darf, wer für das frühere Ministerium für Staatssicherheit bzw. Amt für nationale Sicherheit tätig war. Dieser Personenkreis wird aber nicht automatisch von der Berufung ins Beamtenverhältnis ausgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof hat eine zweistufige Rechtssprechung entwickelt: Zunächst bedarf es der Feststellung der Tätigkeit für das MfS. Erst danach ist festzustellen, ob der Bewerber für das Amt des Bürgermeisters untragbar erscheint. Die abschließende Beurteilung der Wählbarkeit darf die spätere Entwicklung des Bewerbers nicht ausblenden. Es muss eine ergebnisoffene und zukunftsoffene Prognose gemacht werden.

Warum erfolgt diese Prüfung nicht vor der Wahl, um späteren Ärger wie jetzt in Bannewitz zu vermeiden?

Die einzelfallbezogene Prüfung ist so aufwendig, dass sie vor der Wahl in der Kürze der Zeit nicht geleistet werden kann. Zumal alle zugelassenen Bewerber überprüft werden müssten, also auch die, die bei der Wahl unterliegen. Das wäre nicht verwaltungsökonomisch.

Das Gesetz steht in diesem Fall also über dem Wählerwillen?

In der Tat. Das Wahlvolk der Gemeinde hat keinen Anspruch auf Ernennung einer unwählbaren Person zum Bürgermeister.

Der verhinderte Bürgermeister von Bannewitz, Christoph Fröse, hat Klage eingereicht und Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Wer zahlt die Gerichtskosten?

Grundsätzlich die im Rechtsstreit unterlegene Partei.

Die Fragen stellte Steffen Klameth

Fall Fröse: Das Gericht hat das Wort

Von Domokos Szabó, Sächsische Zeitung 22. April 2006

Bannewitz. Kommende Woche soll die Entscheidung zu zwei Eilanträgen fallen.

In der nächsten Woche dürfte die Entscheidung fallen, ob der selbstständige Fahrlehrer Christoph Fröse (parteilos) trotz der Ablehnung durch die Kommunalaufsicht des Weißeritzkreises sein Amt als Bannewitzer Bürgermeister vorläufig antreten darf.

Das Landratsamt hält Fröse aufgrund seiner Stasivergangenheit für untragbar. Gegen diesen Beschluss hat der selbstständige Fahrlehrer Klage eingereicht. Bereits am kommenden Dienstag sehen sich die Streitparteien vor dem Verwaltungsgericht Dresden wieder. Dabei geht es allerdings nicht um die Klage selbst, sondern um einstweilige Verfügungen. Fröse möchte bereits jetzt und nicht erst nach einem eventuell in seinem Sinne gefällten Urteil als Ratschef loslegen. Der 51-Jährige geht deshalb sowohl gegen das Landratsamt als auch gegen die Gemeindeverwaltung vor, die ihm den Zutritt zu den Diensträumen verwehrt (die SZ berichtete). Das Landratsamt rechnet noch im Laufe der Woche mit einer Entscheidung, im Gericht ist von „schnellstmöglich“ die Rede.

Auf jeden Fall findet die Sitzung des Gemeinderates am Montag ohne die geplante Vereidigung des Bürgermeisters statt. Auch über die Wahl eines Amtsverwesers wird den Plänen nach nicht diskutiert, zumindest nicht im öffentlichen Teil. Vize-Bürgermeister Peter Schlobach (Freie Wähler): „Wir warten den Gerichtstermin ab.“