Die "Sächsische Zeitung" im Weißeritzkreis wertet am 1. April 2006 ausführlich die Wahl des IM "Gallinat" zum Bannewitzer Bürgermeister aus. Die Bitte der "SZ", mich in ein paar Zeilen zu der Thematik zu äußern, hatte mir durchaus etwas Schlaflosigkeit beschert...

 Die Akte Gallinat

Von Domokos Szabó (Sächsische Zeitung 01. April 2006)

Stasi-Vorwürfe. Der alt-neue Bürgermeister von Bannewitz gibt zu, für die DDR-Staatssicherheit gespitzelt zu haben. Doch was hat er genau getan?

Da schwingt schon reichlich Verzweiflung im Ton mit. „Für mich ist es unverständlich, dass von einem Bezirksorgan solche Reden bzw. Reden mit solchem Inhalt genehmigt werden.“ Gemeint ist damit eine wohl zu scharfe Büttenrede, die vom Karnevalsklub Wurgwitz für die Saison 1988 vorbereitet wurde. In Bannewitz sollte Ähnliches nicht passieren. Christoph Fröse, bereits vor der Wende eine Zeit lang Bürgermeister der Gemeinde, sieht sich zum Handeln gezwungen. „Ich vertrat gegenüber dem Karnevalsklub die Meinung, dass ich als Gemeinde bestimmte, was in meiner Gemeinde vorgetragen wird oder nicht.“

Überliefert wurde diese Begebenheit durch die Staatssicherheit der DDR, die Worte stammen aus einem Bericht, den IM Gallinat, so Fröses selbst gewählter Deckname, am 26. Mai 1988 mündlich abgegeben haben soll. Der SZ liegt die IM-Akte vor. Fröse bestreitet heute, selbst gestrichen zu haben, wie es darin steht. Er habe lediglich eine Empfehlung dazu abgegeben. Über den weiteren Inhalt der Akte möchte er nicht mit der SZ reden.

Bereits 1992 kam ein Untersuchungsausschuss des Gemeinderates zu dem Ergebnis, dass Fröse ein aktiver Inoffizieller Mitarbeiter gewesen sei. Von seiner Anwerbung an, im Jahre 1985, bis zur Auflösung der Stasi hatte er laut Untersuchungsbericht 30 Treffs mit seinem Führungsoffizier und fertigte 28 handgeschriebene Berichte an. Außerdem existieren 14 gesprochene Tonbandberichte. Fröses Aufgabe war es insbesondere, Informationen über Ausreisewillige zu liefern. Dies geht aus der Akte hervor. Aufgrund der Berichte führte die Stasi sieben „operative Personenkontrollen“ durch, heißt es im Untersuchungsbericht. Für seine Tätigkeit erhielt Fröse dreimal Geld – 50, 100 und 150 Mark – sowie ein Präsent. Die Quittungen über die Beträge sind in der Akte ebenso zu finden wie Fröses Verpflichtungserklärung. Mit seiner Tätigkeit wolle er einen Beitrag zur Erhaltung des Friedens leisten, heißt es darin. Allerdings gab es auch Reibereien, als der IM zu vereinbarten Treffs nicht erschien. Für seine „schlechte Treffdisziplin“ rügte ihn die Mielke-Truppe ausdrücklich. Das hinderte aber die Kreisdienststelle nicht daran, Fröse mit neuen Aufträgen zu versorgen. Er sollte zum Beispiel die Stimmung in der Bevölkerung auskundschaften.

In weiteren Berichten geht es 1989 um die aufkommenden Proteste gegen das geplante Reinstsiliziumwerk in Gittersee. „Ich werde (…) den 13. 4. im Auge behalten, damit nicht illegal eine Veranstaltung durchgeführt wird“, lässt Fröse die Stasi am 4. April 1989 laut den Unterlagen wissen.

Nach der Wende wird der Mann in den neuen Gemeinderat gewählt und versichert zunächst eidesstattlich, nicht gespitzelt zu haben. Erst bei der Durchleuchtung der neu gewählten Gemeinderäte fliegt er auf. Der Rat lehnt eine weitere Zusammenarbeit mit ihm ab und fordert ihn auf, sein Mandat niederzulegen. Dazu kommt es allerdings nicht. Ab 1992 bleibt der Ex-IM einfach den Ratssitzungen fern.


 

Das Landratsamt will rasch entscheiden

Von Domokos Szabó

Untersuchung. Die Kommunalaufsicht prüft derzeit, ob Christoph Fröse trotz seiner Stasi-Vergangenheit sein Amt antreten kann.

Mehr als jede zweite Stimme bekam er bei der Bannewitzer Bürgermeisterwahl. Entsprechend selbstbewusst gibt sich der selbstständige Fahrlehrer Christoph Fröse. Nächste Woche will der 51-Jährige schon mal ins Rathaus gehen, um sich seinen künftigen Arbeitsplatz anzuschauen.

Ob er die Stelle in der Tat antreten kann, liegt in den Händen von Thomas Rechentin (CDU). Der Chef der Kommunalaufsicht im Dippoldiswalder Landratsamt hat zu prüfen, ob Fröse trotz seiner freien Mitarbeit bei der DDR-Staatssicherheit für den Chefposten geeignet ist. Laut Gesetz dürfen jedenfalls Ex-IMs „grundsätzlich“ nicht ins Beamtenverhältnis berufen werden.

Worauf es ankommt, ist jedoch eine Einzelfallprüfung. Im Fall Fröse soll diese nun schneller über die Bühne gehen als allgemein erwartet. „Im Interesse der Gemeinde hoffe ich, dass wir eine Entscheidung bis zum 11. April hinkriegen“, sagte Rechentin zur SZ. Ansonsten bekäme Bannewitz am 12. April einen Bürgermeister auf Abruf.

Prozess dauert Jahre
Freilich will Rechentin nicht vorab verraten, wie Fröses Chancen stehen. Im Gegensatz dazu ist bekannt, was bei der Überprüfung zählt. Michael Beleites, Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, sagt: „Wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Anwärter gegenüber Bürgern, denen er geschadet hat, den Rechtsstaat vertreten soll, so ist davon auszugehen, dass er nicht geeignet ist.“

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Holger Zuck verweist auf das Königstein-Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshofes und auf vier weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in ähnlichen Fällen. In Königstein wurde von dem 1994 gewählten Bürgermeister Rudolf Maiwald erst nach dem Urnengang bekannt, dass er Spitzel war. Nach jahrelangem Prozess durfte er sein Amt antreten. Der Verfassungsgerichtshof hatte den Fall an das Oberverwaltungsgericht Bautzen zurückgegeben, weil dieses es versäumt habe, über Maiwalds zukünftiges Verhalten eine Prognose zu erstellen. Zuck stand damals Maiwald juristisch zur Seite. Bei der fraglichen Prognose hält er nicht zuletzt die Art und Weise für entscheidend, wie sich ein IM von der Stasi gelöst hat. „Je länger dies zurückliegt und je riskanter der Ausstieg war, desto unbedenklicher ist die Person“, sagte er zur SZ. Angesichts dessen, dass Fröse selbst noch im September 1989 Berichte schrieb, habe er „keine guten Karten in der Hand“.

Von seiner Anwerbung an, im Jahre 1985, informierte der Bannewitzer die Staatssicherheit unter dem Decknamen „Gallinat“. Zuck betont, es sei unerheblich, ob die Berichte letztendlich jemandem geschadet haben. Vielmehr gehe es um die „schädigende Tendenz“. In Fröses Fall käme hinzu, dass er seinerzeit als Bürgermeister gespitzelt hat. „Er hat sich die Inhalte und Ziele des Regimes zu eigen gemacht“, so Zuck.

Bereits Reue gezeigt
Klaus Bartl, verfassungsrechtlicher Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, relativiert das. „In der DDR gab es eine Verordnung, die Bürgermeister zur Zusammenarbeit verpflichtet hatte“, so Bartl. Für eine positive Prognose reiche völlig zu, dass ein Ex-IM Reue zeigt. Im Wahlkampf bezeichnete Fröse seine Tätigkeit für die Stasi als den „größten Fehler“ seines Lebens und bat allgemein um Entschuldigung. Bartl führt zudem ins Feld, dass ab Ende 2006 laut Stasi-Unterlagengesetz das Spitzeln in der DDR rechtlich niemandem mehr vorgehalten werden darf.

Fröse selbst geht „definitiv“ von einer positiven Entscheidung der Kommunalaufsicht aus. Andernfalls will er prozessieren – „im Interesse der Wähler“, wie er sagt.



Pro: Gewählt ist gewählt

Eines möchte ich vorab ganz klar sagen: Für die massenhafte Überwachung der eigenen Bürger durch die Stasi kann es keine Rechtfertigung geben – gerade wo heute das gesamte Ausmaß deutlich wird. Was heißt das aber für den Umgang mit IMs in der Gegenwart? Schließen wir sie aus der Gesellschaft aus und verwehren ihnen jede erneute Übernahme von Verantwortung? Hier sage ich Nein. Weil ich weiß, dass IM nicht gleich IM war, und nicht jede Zusammenarbeit mit der Stasi so verwerflich war, dass sie noch nach 16 Jahren gesühnt werden müsste. Entscheidend für mich ist, ob sich der Betreffende intensiv mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Und ob er vor der Wahl die Mitarbeit bei der Stasi offengelegt hat. Das hat der neu gewählte Bürgermeister Fröse getan. Die Wähler haben ihn mit diesem Wissen gewählt. Jetzt gilt: Gewählt ist gewählt. Ich finde es völlig absurd, politisch überprüfen zu wollen, ob die Wähler richtig entschieden haben. Denn das Volk ist der Souverän. Ende des Jahres läuft die Regelüberprüfung des Stasiunterlagengesetzes ohnehin aus – eine solche Überprüfung wird es dann nicht mehr geben.

Falk Neubert aus Kesselsdorf ist Landtagsabgeordneter der Linkspartei und Vorsitzender des PDS-Kreisverbandes.


Kontra: Es ging auch anders

Der Maßstab für eine Antwort ist weniger das Verhalten vor 16 Jahren, sondern die heutige Auseinandersetzung damit. Veränderung setzt Anerkenntnis der Schuld voraus, Vergebung die Reue des Täters und Wiedergutmachung, nicht das notgedrungene Eingeständnis dessen, was sowieso offenbar wurde. Die Argumente „Ich habe doch niemandem geschadet“ oder wahlweise „Ich konnte ja nicht anders“ gehen genauso fehl wie die unerfüllbare Aufforderung an die Opfer, „nun endlich Ruhe zu geben“. Der einzelne Bericht mag unerheblich, ja zuweilen lächerlich gewesen, der Betroffene den ganz schlimmen existenziellen Folgen entgangen sein. Oft wird aber vergessen, dass das Getriebe eben mit diesen vielen kleinen Rädchen am Laufen gehalten wird. Es hat immer die Möglichkeit gegeben, „Nein“ zu sagen – natürlich um den Preis schlechterer Karrieremöglichkeiten, damals wie heute. Die moralische Antwort muss – nach meiner Erfahrung und vor diesem Hintergrund – in den meisten Fällen „Nein“ sein, auch wenn ein demokratischer Rechtsstaat den damaligen Tätern heute mehr Rechte einräumt, als die Opfer vordem je hatten.

Andreas Warschau aus Altenberg ist Kreisrat der Grünen und Chef des Grünen-Kreisverbandes.


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Übrigens: Gallinae ist die lateinische Bezeichnung für Vogel. Vielleicht hat sich Herr Gallinat aber auch nach der „Dermanyssus gallinae“, der Roten Vogelmilbe, benannt. Bei Wikipedia fand ich zu diesem Tierchen folgende Beschreibung:

Die Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae) zählt zur Gruppe der Milben und ernährt sich parasitär vom Blut der Wellensittiche und Kanarienvögel.
Die Rote Vogelmilbe befällt die Vögel nur nachts, am Tage versteckt sich der Parasit in Ritzen und Spalten des Vogelkäfigs. Wenn es zu viele von ihnen gibt, verstecken sie sich am Tage auch auf dem Tier. Unter einer Lupe kann man die kleinen roten und schwarzen Punkte erkennen. Die Färbung hängt von der Verdauung und Blutaufnahme ab. Sie halten sich auch tagsüber bei brütenden Vögeln im Nistkasten auf.
Nestlinge können durch die ständige Blutabnahme schon bei geringen Befall sterben. Erkrankte Vögel kratzen sich ständig genervt schon das Gefieder. Um die Milben sicher zu erkennen, sollte man nachts ein weißes Tuch über den Käfig legen. Kann man am morgen darauf schwarze oder rote Punkte sehen, kann man sich fast sicher sein, dass es sich um die Vogelmilbe handelt.
Man sollte mit dem befallenen Tier einen Tierarzt aufsuchen, da das Tier behandelt und der Käfig gereinigt werden muss, da die Rote Vogelmilbe auch Tiere und Menschen befallen kann.


Jurist: Bürgermeister schadet sich selbst

(Sächsische Zeitung 04. April 2006)

Bannewitz. Fröse versucht, auf SZ-Bericht Einfluss zu nehmen.

Der designierte Bannewitzer Bürgermeister Christoph Fröse (parteilos) hat mit einem Vorstoß gegen die Presse offenbar selbst seine Chancen gemindert, den Führungsposten der Gemeinde zu übernehmen. Zu dieser Einschätzung kommen der sächsische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Michael Beleites, und der Verwaltungsrechtler Holger Zuck aus Stuttgart.

Am Freitag hatte Fröse versucht, auf einen ihm unangenehmen SZ-Artikel über seine Stasi-Vergangenheit Einfluss zu nehmen. Nach Angaben der regionalen SZ-Geschäftsleitung hat der Wahlgewinner und Ex-IM zwei Drohungen ausgesprochen.

Sollte der Beitrag ohne die gewünschte Änderung erscheinen, werde er mit Hilfe seiner Kontakte für eine Kündigung von SZ-Abonnements sorgen. Auch drohte er an, dem Autor des Beitrags künftig keine Informationen mehr zu geben.

„Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit“, sagte Rechtsanwalt Zuck gestern. Ferner sei die Aktion als „versuchte Nötigung“ ein Fall für den Strafrichter.

Zuck war seinerzeit Anwalt des Königsteiner Bürgermeisters Rudolf Maiwald, der sein Amt wegen Stasi-Tätigkeit zunächst nicht antreten durfte. Zucks Ansicht nach hat Fröse mit dem Vorstoß am Freitag seine Chancen auf eine positive Verhaltensprognose durch die Kommunalaufsicht gemindert. Im Zusammenhang mit Fröses Stasi-Vergangenheit prüft die Behörde zurzeit unter anderem, ob der Anwärter sich seit der Wende „in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewährt“ hat. „Es geht darum, ob seine heutige Position als entlastend gewertet werden kann“, sagte der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Beleites. Nach dem Zwischenfall müsse man vom Gegenteil ausgehen. Auf Anfrage bestätigte Fröse lediglich, sein eigenes SZ-Abo abzubestellen. Die Zusammenarbeit mit dem Autor liege weiter auf Eis. (SZ/dsz)


Christoph Fröse muss warten

Von Domokos Szabó, Sächsische Zeitung 12. April 2006

Bannewitz. Die Stasi- Überprüfung dauert an. Vize-Bürgermeister Schlobach übernimmt das Ruder im Rathaus.

Ab heute führt Vize-Bürgermeister Peter Schlobach (Freie Wähler) vor-übergehend die Geschäfte im Bannewitzer Rathaus. Grund dafür ist die laufende Stasi-Überprüfung des designierten Bürgermeisters Christoph Fröse (parteilos). Zunächst stellte die Kommunalaufsicht des Landratsamtes in Dippoldiswalde eine Entscheidung im Fall Fröse bis gestern in Aussicht.
„Die gibt es aber noch nicht“, sagte Behördensprecherin Dorothea Boldt gestern. Die gesetzliche Wahlprüfungsfrist endet am 18. April. Nach SZ-Informationen verzögern neue Erkenntnisse die Überprüfung. So hat Christoph Fröse nach Angaben der regionalen SZ-Geschäftsleitung versucht, auf einen geplanten Zeitungsartikel Einfluss zu nehmen.

In dem Beitrag ging es um Fröses IM-Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR und seine Chancen, trotzdem Bürgermeister zu werden. Der Hintergrund: Ehemalige IMs dürfen laut Gesetz „grundsätzlich“ nicht ins Beamtenverhältnis berufen werden. Im Rahmen der Überprüfung hat nun das Landratsamt unter anderem eine Verhaltensprognose zu erstellen. Der springende Punkt ist, ob sich der Anwärter im demokratischen System bewährt hat.
Zudem ist dem Landratsamt ein weiterer Vorwurf bekannt. Danach soll Fröse seinen finanziellen Forderungen gegenüber den Dresdner Eislöwen mit Drohungen Nachdruck verliehen haben. Fröse arbeitete vor seiner Kandidatur monatelang als Geschäftsführer für den Eishockey-Verein. Die Staatsanwaltschaft Dresden bestätigt, dass eine Strafanzeige vorliegt. Vize-Landrat Thomas Rechentin (CDU) ist da vorsichtig. „Ob das relevant ist, muss man sehen“, sagte er.

Christoph Fröse betonte auf SZ-Anfrage, es gehe um eine legitime Forderung. Darum kümmern sich jetzt Anwälte. Heute habe er ein Gespräch im Landratsamt und hofft darauf, dass die Entscheidung im Überprüfungsverfahren rasch gefällt wird.


Landrat lässt ehemaligen Stasi-IM abblitzen

Von Domokos Szabó, Sächsische Zeitung 15. April 2006

Bannewitz. Christoph Fröse ist gewählt, darf aber das Amt des Bürgermeisters nicht antreten.

Die Türen des Bannewitzer Rathauses bleiben Christoph Fröse (parteilos) vorerst verschlossen. Er sei für das Amt des Bürgermeisters nicht tragbar. Das entschied der Landrat des Weißeritzkreises, Bernd Greif (CDU), am Donnerstag. Als Begründung führte die Kommunalaufsicht Fröses „intensive inoffizielle Tätigkeit“ für die Staatssicherheit der DDR ins Feld. „Diese ging über jenes Maß hinaus, zu dem er damals als Sekretär für Inneres bzw. als Bürgermeister verpflichtet war“, sagte Vize-Landrat Thomas Rechentin (CDU) zur SZ. Greif und Rechentin haben Fröse zwei Mal zu den Spitzel-Vorwürfen angehört. „Er hat keine kritische Distanz zu seiner früheren Tätigkeit bekundet“, sagte der Vize-Landrat.

Zudem habe Christoph Fröse vor kurzem versucht, auf einen SZ-Artikel über seine IM-Aktivitäten Einfluss zu nehmen. Nach Angaben der regionalen Geschäftsleitung hat der 51-Jährige unter anderem gedroht, als künftiger Verwaltungschef die Zeitung abzubestellen. Außerdem kündigte er die Zusammenarbeit mit der Redaktion auf. „Dieser Fall zeigt, dass er möglicherweise nicht gewillt ist, die Regelungen des sächsischen Pressegesetzes einzuhalten“, sagte Rechentin. Danach sind Bürgermeister und andere Amtsträger zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichtet. Auch müsse befürchtet werden, dass Fröse Privates mit Dienstlichem vermischt hätte.

Der selbstständige Fahrlehrer wurde Ende Februar mit 52,7 Prozent der Stimmen zu neuem Bürgermeister gewählt. Die Entscheidung des Landratsamtes stützt sich auf das Beamtengesetz, wonach ehemalige IMs „grundsätzlich“ nicht ins Beamtenverhältnis berufen werden dürfen. Eine Regelung, die noch bis Ende 2006 gilt. Vorgeschrieben ist bis dahin eine Einzelfallprüfung, so wie sie nun die Landkreisbehörde vornahm. Christoph Fröse kündigte postwendend an, gegen den Beschluss zu klagen.

In Bannewitz stieß die Nachricht über Fröses Ablehnung auf ein geteiltes Echo. „Es ist in Ordnung, dass die Entscheidung so ausgefallen ist“, sagte Gemeinderat Axel Gruhl von der Mehrheitsfraktion Wählervereinigung BHPR. Damit wiederfahre den einstigen Opfern Gerechtigkeit. Die Wählervereinigung habe rechtzeitig auf die Gefahr hingewiesen, dass Bannewitz vorübergehend ohne Bürgermeister bleiben könnte.

Auch der CDU-Abgeordnete Bernd Fischer begrüßte den Beschluss. „Als Mensch schätze ich zwar Christoph Fröse, aber wegen seiner IM-Vergangenheit ist er nicht geeignet“, sagte er. „Wenn er ein richtiger Kerl ist, prozessiert er nicht lange, sondern macht den Weg für Neuwahlen frei.“

Die Possendorferin Christa Jahnke hat dagegen kein Verständnis für Rechentins Argumente. „Warum will man den Willen des Volkes nicht anerkennen?“, sagte sie.

Der Gemeinderat Martin Seidel (Linkspartei), im ersten Wahlgang Fröses Kontrahent, hält die IM-Tätigkeit nicht von vornherein für einen Ausschlussgrund. Ob die Entscheidung richtig war, könne man jedoch erst nach Bekanntwerden von Einzelheiten beurteilen.

Unterdessen wird in Bannewitz die Wahl eines Amtsverwesers vorbereitet. Dieser soll die Geschäfte führen, bis Fröse per Gerichtsbeschluss Bürgermeister wird bzw. Neuwahlen abgehalten werden. Nach SZ-Informationen ist der Name der Gemeinderätin Marion Neugebauer (Bürgergemeinschaft) im Gespräch. „Ich stelle mich zur Verfügung“, bestätigte die 47-Jährige am Donnerstag. „Es wäre fatal, wenn irgendwo Stillstand eintreten würde“, sagte sie. Die Berufsschullehrerin ist seit Jahren zweite Stellvertreterin von Alt-Bürgermeister Christian Zeibig, der sich Mitte dieser Woche in den Ruhestand verabschiedete. Ein weiterer Interessent ist Martin Seidel. Die Motivation sei die gleiche wie bei der Bürgermeisterwahl, sagte der 30-jährige Berufsausbilder zur SZ.

Es gilt als wahrscheinlich, dass die Wahl des Amtsverwesers auf der nächsten Ratssitzung am 24. April stattfindet – an diesem Tag sollte der neue Bürgermeister vereidigt werden.

Der Fall Fröse

Im August 2005 wird bekannt, dass Christoph Fröse für die Bürgermeisterwahl kandidieren will.

Im Dezember 2005 präsentiert er mehr als 100 Unterstützungsunterschriften und kann damit antreten.

Im Februar 2006 landet er bei der ersten Runde der Bürgermeisterwahl knapp hinter dem CDU-Mitbewerber Thomas Rincke.

Ende Februar 2006 entscheidet Fröse das Rennen für sich.

Am 12. April 2006 beschließt die Kommunalaufsicht, er sei für das Amt untragbar.

Bürgerwille

Von Steffen Klameth zum Amtsverbot für den Bannewitzer Bürgermeister

Die Mehrheit der Bannewitzer Wähler hat Christoph Fröse zum Bürgermeister bestimmt – eine demokratische Entscheidung. Der Landrat des Weißeritzkreises verweigert Fröse mit Hinweis auf seine frühere Stasi-Tätigkeit das Amt – ebenfalls eine demokratische Entscheidung. Was wiegt nun schwerer: der Bürgerwille oder der des Landrates?

Die Frage greift zu kurz. Denn es war auch Bürgerwille, dass Menschen, die in der DDR andere Menschen bespitzelt haben, nichts mehr in verantwortlichen staatlichen Ämtern zu suchen haben. Ehemalige Inoffizielle MfS-Mitarbeiter, so steht es deshalb im Gesetz, dürfen „grundsätzlich“ keine Beamten sein – es sei denn, die Einzelfallprüfung ergibt eine minderschwere Belastung und eine positive Zukunftsprognose. Dies ist bei Christoph Fröse nach Meinung des Landratsamtes nicht der Fall.

Jetzt will der verhinderte Amtschef klagen – auch das ist Demokratie. Ausbaden müssen es die Bannewitzer, die auf längere Sicht keinen Bürgermeister haben.


Ex-IM darf nicht regieren

Sächsische Zeitung 15. April 2006

Bannewitz. Christoph Fröse ist zum Bürgermeister gewählt, aber er darf das Amt nicht antreten.

Eine Woche nach Ostern sollte der selbstständige Fahrlehrer Christoph Fröse (parteilos) als neuer Bürgermeister von Bannewitz bei Dresden vereidigt werden. Doch daraus wird nichts. Der 51-Jährige ist wegen seiner Stasi-Vergangenheit für dieses Amt nicht tragbar – das entschied der Landrat des Weißeritzkreises, Bernd Greif (CDU), am Donnerstag.

Als Begründung führte die Kommunalaufsicht Fröses „intensive inoffizielle Tätigkeit“ für die Staatssicherheit der DDR ins Feld. „Diese ging über jenes Maß hinaus, zu dem er damals als Sekretär für Inneres beziehungsweise als Bürgermeister verpflichtet war“, sagte Vize-Landrat Thomas Rechentin (CDU). Greif und Rechentin hatten Fröse zweimal zu den Spitzel-Vorwürfen angehört, ohne dass dieser kritische Distanz zu seiner früheren Tätigkeit bekundet hätte. Laut Beamtengesetz dürfen ehemalige IMs „grundsätzlich“ nicht ins Beamtenverhältnis berufen werden. Diese Regelung gilt im Zusammenhang mit einer Einzelfallprüfung noch bis Ende des Jahres.

Klage angekündigt

Zu Ungunsten von Fröse wertet das Landratsamt dessen Versuche, auf einen SZ-Artikel über seine IM-Aktivitäten Einfluss zu nehmen. Nach Angaben der regionalen Geschäftsleitung hat er unter anderem gedroht, als künftiger Verwaltungschef die Zeitung abzubestellen. Außerdem kündigte Fröse die Zusammenarbeit mit der Redaktion auf. „Dieser Fall zeigt, dass er möglicherweise nicht gewillt ist, die Regelungen des sächsischen Pressegesetzes einzuhalten“, sagte Rechentin. Danach sind Bürgermeister und andere Amtsträger zu Auskünften gegenüber den Medien verpflichtet. Auch müsse befürchtet werden, dass Fröse Privates mit Dienstlichem vermischt hätte.

Der selbstständige Fahrlehrer war Ende Februar in der Nachwahl mit 52,7 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Christian Zeibig bestimmt worden, der das Bürgermeisteramt aus Altersgründen aufgegeben hatte. Fröse kündigte postwendend an, gegen den Beschluss zu klagen.

In Bannewitz gibt es dazu geteilte Reaktionen. Mit der Entscheidung widerfahre den einstigen Opfern Gerechtigkeit, hieß es aus der Mehrheitsfraktion Wählervereinigung BHPR. Andere zeigten dafür kein Verständnis.

Bis zum abschließenden Urteil wird in der 11 000-Seelen-Gemeinde voraussichtlich ein Amtsverweser die Geschäfte führen – möglicherweise ein Job für längere Zeit. Im Fall des stasibelasteten ehemaligen Königsteiner Bürgermeisters Rudolf Maiwald brauchte die Justiz drei Jahre. Damals durfte Maiwald schließlich doch den Bürgermeisterstuhl einnehmen.


Greif entscheidet: Ex-IM wird kein Bürgermeister

Kerstin Ardelt, Dresdner Neueste Nachrichten 19. 04. 2006

Der wegen Stasi-Vorwürfen bei der Bannewitzer Bürgermeisterwahl ins Kreuzfeuer geratene Christoph Fröse sorgt weiter für Schlagzeilen. Er setzte sich gestern auf den Bürgermeisterstuhl, wohlwissend, dass der Landrat des Weißeritzkreises, Bernd Greif (CDU), ihm den Amtsantritt verweigert hat. Die von der Gemeindeverwaltung herbeigerufene Polizei entfernte sich nach einer Stunde wieder, jedoch ohne Fröse. Der blieb sitzen und beharrte darauf, dass er ja schließlich von den Bannewitzern gewählt worden sei und ein Recht darauf habe, im Bürgermeisterzimmer zu sitzen. "Es lag nicht in unserem Interesse, dass die Sache eskaliert", bestätigte gestern Vize-Landrat Thomas Rechentin (CDU) auf DNN-Nachfrage. Aus seiner Sicht ist die Rechtslage jedoch klar: "Die Wahl ist ungültig und Herr Fröse hat in den Amtsräumen nichts zu suchen und wird sie auch nicht wieder betreten."
Warum dem Ende Februar mit 52,7 Prozent mehrheitlich gewählten Bürgermeister-Anwärter die Amtsübernahme verwehrt wird, begründet der Chef der Komunalaufsichtsbehörde mit der umfangreichen Tätigkeit Fröses für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und dessen politischen Verhalten nach 1990.

So hatte Christoph Fröse nach der Wende im Bannewitzer Gemeinderat gesessen. Als seine IM-Tätigkeit offiziell wurde, blieb er den Sitzungen fern. Später legte er sein Mandat nieder, begründete diesen Schritt aber nicht mit seiner Stasi-Vergangenheit, sondern mit familiären Erwägungen. "Es gab zwei Anhörungstermine. Wir hatten nach den Maßgaben des Verfassungsgerichtes zu prüfen, ob Herr Fröse aufgrund seines Werdegangs seine Amtspflichten erfüllen kann - ja oder nein", bringt es Rechentin auf den Punkt. Und das Landratsamt kam zu dem Ergebnis: Der selbstständige Fahrlehrer Christoph Fröse kann es nicht.

Fröse informierte den Vize-Landrat bereits darüber, dass er gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einlegen werde. Gestern legte er bei seinem Eindringen in die Amtstube noch eine Kohle nach und erklärte, dass er einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Verfassungsgericht stellen werde, um das Amt antreten zu können.

Nachdem sich der Bannewitzer Bürgermeister Christian Zeibig (parteilos) am 11. April in den Ruhestand verabschiedet hat, führen Peter Schlobach (Freie Wählervereinigung) und Marion Neugebauer (Bürgergemeinschaft) als Stellvertreter die Amtsgeschäfte und üben zugleich das Dienstrecht aus. Damit sei die Verwaltung voll funktionsfähig, bekräftigt Schlobach. Nachdem die Bürgermeisterwahl vom 5. und 26. Februar nach dem Wahlprüfbescheid des Landratsamtes vom 13. April für ungültig erklärt worden ist, wird nun am 24. April im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung über die Bestellung eines Amtsverwesers beraten. Dieser soll die Geschäfte führen, bis Fröse per Gerichtsbeschluss entweder doch endgültig Bürgermeister wird oder Neuwahlen anstehen.


Ex-IM Fröse will sich ins Bürgermeisteramt einklagen - nun hat er Hausverbot für die Amtsräume

Jörn Käsebier, Dresdner Neueste Nachrichten 19. 04. 2006

Christoph Fröse hat beim Verwaltungsgericht Dresden Klage gegen den Wahlprüfungsbescheid des Landratsamtes Weißeritzkreis eingelegt. Das bestätigte Gerichtssprecher Robert Bender gestern auf DNN-Anfrage. Das Landratsamt hatte Fröse bescheinigt, wegen seiner Stasi-Vergangenheit nicht als Bürgermeister geeignet zu sein. Außerdem hatte die Behörde die Bannewitzer Bürgermeisterwahl für ungültig erklärt. Fröse klagt nun gegen die Entscheidung und will zudem in einem Eilverfahren durchsetzen, dass er die Amtsgeschäfte aufnehmen kann.

Symbolisch durchsetzen wollte Fröse seinen Anspruch bereits am Dienstag. Mit einem Sitzstreik in den Amtsräumen des Bannewitzer Bürgermeisters hatte er darauf aufmerksam machen wollen, dass er von der Mehrheit der Wahlberechtigten die Stimme bei der Wahl im Februar erhalten habe. Gestern konnte er seinen Streik jedoch nicht fortsetzen, da ihm der Zutritt zu den Büros verweigert wurde. "Wie jeder andere Gemeindebürger darf er die Verwaltung betreten, aber nicht die Amtsräume des Bürgermeisters", meinte Thomas Rechentin, Chef der Kommunalaufsichtsbehörde.

Warum Fröse überhaupt als Kandidat zugelassen werden konnte, als Bürgermeister aber nicht in Frage kommt, erklärt Rechentin mit dem Wahlprüfungsparagraphen des sächsischen Kommunalwahlgesetzes. Darin habe lediglich die Rechtsaufsichtsbehörde, in diesem Fall das Landratsamt, nicht aber der Wahlausschuss die Möglichkeit, die Stasi-Vergangenheit eines Kandidaten zu überprüfen. "Ich darf erst handeln, wenn das Wahlergebnis feststeht", sagte Rechentin. Vorher könnten aus "verfahrensökonomischen Gründen" lediglich normale Kriterien der Wählbarkeit wie Herkunft und Alter geprüft werden.

Das Dresdner Verwaltungsgericht wird am nächsten Dienstag den Fall Fröse erörtern. Frühestens danach werden die Richter über den Eilantrag des ehemaligen IMs entscheiden.


Akte verhindert Amtsantritt

Früherer IM darf nicht Bürgermeister werden

von Hendrik Lasch, Neues Deutschland, 19. 04. 2006

Der gewählte Bürgermeister im sächsischen Bannewitz darf sein Amt nicht antreten. Der Grund: Er war früher für die Staatssicherheit tätig.

Zum zweiten Mal wird in Sachsen einem gewählten Bürgermeister der Amtsantritt verwehrt, weil er in der DDR für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hat. Der parteilose Fahrlehrer Christoph Fröse hatte kurz vor Ostern sein Amt als Verwaltungschef der 11 000 Einwohner zählenden Gemeinde Bannewitz am Stadtrand von Dresden antreten sollen.

Das Landratsamt hat das jedoch vorerst verhindert: Der 51-jährige Fahrlehrer sei für die hauptamtliche und damit herausgehobene Position nicht tragbar. Man verwies zur Begründung auf das Beamtengesetz, wonach ehemalige IM »grundsätzlich« nicht ins Beamtenverhältnis berufen werden dürfen. Zugleich sei eine »Gesamtwürdigung« vorgenommen worden, sagte der Vize-Landrat Thomas Rechentin (CDU) auf ND-Anfrage. Neben der Intensität der früheren Tätigkeit habe dabei auch die »kritische Distanz« zur MfS-Zuarbeit sowie das gesellschaftliche Engagement seit Ende der DDR eine Rolle gespielt. Diese Prüfung sei »negativ ausgefallen«, so Rechentin. Er verwies unter anderem auf Meldungen, wonach Fröse versucht haben soll, Einfluss auf Berichte in der Lokalpresse über den Fall zu nehmen.

Fröse, der bereits vor 1989 Bürgermeister von Bannewitz war und sich im Februar in einer Stichwahl mit 52,7 Prozent gegen einen CDU-Bewerber durchsetzte, hatte sich zur IM-Tätigkeit bekannt und dabei auf dienstliche Kontakte verwiesen. Nach Ansicht des Landratsamtes, das Unterlagen bei der Birthler-Behörde prüfte, ging die Tätigkeit aber »über jenes Maß hinaus«, zu dem er verpflichtet war. Fröse, der gestern für Nachfragen nicht zu erreichen war, will gegen die Entscheidung klagen.
Bannewitz droht damit nach dem altersbedingten Ausscheiden des bisherigen Bürgermeisters die Einsetzung eines Amtsverwesers und ein langwieriger Rechtsstreit, wie ihn nach 1994 bereits die Stadt Königstein erlebt hat. Dort war Bürgermeister Rudolf Maiwald wegen früherer IM-Tätigkeit ebenfalls nicht zum Bürgermeister ernannt worden. Erst nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen konnte er das Amt doch noch antreten. Die vom Verfassungsgericht entwickelten Maßgaben über eine konkrete Prüfung des Einzelfalls, sagte Rechentin, seien im Fall Fröse berücksichtigt worden.


Fröse besetzt Rathaus

Sächsische Zeitung 19. April 2006

Bannewitz. Christoph Fröse stellt sich auf Hinterbeine. Gestern Mittag kam der 51-Jährige ins Rathaus, besetzte den Platz des Bannewitzer Bürgermeisters und behauptete die Stellung. Damit ignoriert er die Landrats-Entscheidung, dass er vor allem wegen intensiver inoffizieller Stasi-Tätigkeit nach seiner Wahl das Amt nicht antreten darf.

Die SZ erreichte ihn auch gleich am Bürgermeistertelefon. „Gestern habe ich gegen den Beschluss des Landrats Klage eingereicht“, sagte er. Fröse behauptet, dass dies aufschiebende Wirkung habe, so dass er sein Amt antreten darf. Vize-Landrat Thomas Rechentin (CDU) schüttelt über das dreiste Vorgehen nur mit dem Kopf. Laut Gesetz habe eine Klage eben keine aufschiebende Wirkung. Demzufolge dürfe Fröse den Posten nicht besetzen. Die Geschäfte liegen in den Händen der Stellvertreter des Rathauschefs, Peter Schlobach (Freie Wähler) und Marion Neugebauer (Bürgergemeinschaft).

Die demonstrierten gestern nach einer Krisentagung im Rathaus, dass sie sich von Fröse nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen. Das machte Schlobach deutlich. Er und Marion Neugebauer führen die Geschäfte und üben das Hausrecht aus. Der Bescheid des Landrats über die Ungültigkeit der Bürgermeisterwahl sei eindeutig. Zur nächsten Ratssitzung am 24. April soll ein neuer Amtsverweser gewählt werden. Wie Schlobach Fröse die Tür weisen wollte, kommentierte er gestern nicht. (SZ/phi)


Ein IM als Bürgermeister: Gericht muss entscheiden

Von Steffen Klameth, Sächsische Zeitung 20. April 2006

Rechtsstreit. Christoph Fröse will den Chefstuhl im Bannewitzer Rathaus besetzen. Jetzt klagt er.

Man kann sich die Sache ungefähr so vorstellen: Fußball-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann sagt dem Oli Kahn, dass er leider, leider nicht mehr im deutschen Tor stehen darf – und Oli Kahn läuft trotzdem aufs Spielfeld und stellt sich demonstrativ zwischen die Pfosten. Dumme Geschichte, was tun?

In Bannewitz bei Dresden (10 800 Einwohner) wurde im Februar ein neuer Bürgermeister gewählt. Doch kurz vor Ostern teilte der Landrat des Weißeritzkreises, Bernd Greif (CDU), dem Wahlsieger Christoph Fröse mit, dass er das Amt nicht antreten darf. Trotzdem marschierte Fröse am Dienstag ins Rathaus und setzte sich auf den Chefsessel. Dumme Geschichte, was tun?

Bei Oli Kahn müsste man wohl mit dem Schlimmsten rechnen. Bei Christoph Fröse ging es friedfertiger zu. Zwar rückten zwei Polizisten an, um ihn des Hauses zu verweisen. Doch nach langem Hin und Her war sowieso Feierabend, und Herr Fröse ging wieder nach Hause. Seine wichtigste Amtshandlung hatte er bis dahin ohnehin erledigt: Er zeigte dem Landrat seinen Amtsantritt an – so wie er es am 12. April getan hatte, als er schon einmal das Rathaus besetzt hatte.

Landrat: Eine „starke Sache“

Für Landrat Greif ist das Ganze eine „starke Sache“. Immerhin ignoriere Fröse einen rechtskräftigen Bescheid, wonach er für das Amt des Bürgermeisters untragbar sei. Dieser Entscheidung seien eine gründliche Prüfung der Stasi-Akten, zwei Gespräche mit Fröse und dessen Anwalt sowie die Akteneinsicht durch Fröse vorausgegangen. Ergebnis: Die intensive inoffizielle Tätigkeit für das MfS lasse eine Verbeamtung nicht zu.

Der 51-jährige Fröse leugnet seine IM-Vergangenheit nicht. Spätestens seit 1992, als die Spitzeltätigkeit bei der Überprüfung des Gemeinderates ans Licht kam, hätten alle im Dorf davon gewusst, argumentiert er. Den ganzen Umfang erfuhr die Öffentlichkeit jedoch erst Anfang April aus der SZ, die Antrag auf Akteneinsicht gestellt hatte (siehe Info-Kasten „IM ,Gallinat‘“). Zu diesem Zeitpunkt war Fröse bereits gewählt – mit 52,7 Prozent im entscheidenden zweiten Wahlgang.

Dabei profitierte er vor allem von seiner Popularität in Bannewitz, wo er zu DDR-Zeiten Sekretär des Gemeinderates und etwa ein Jahr lang (1989/90) Bürgermeister war. „Seine Art kommt bei den Leuten an“, meint Amtsvorgänger Christian Zeibig (parteilos), der aus Altersgründen in den Ruhestand ging. Trotzdem hatte sich der parteilose Zeibig für den CDU-Kandidaten Thomas Rincke (CDU) stark gemacht – vergeblich. Zeibig: „Er konnte seine Bürgernähe nicht glaubhaft machen.“ Vor allem störten sich viele Wähler aber wohl an seiner West-Herkunft.

Gestern machte Fröse einen Bogen um das Bannewitzer Rathaus und fuhr stattdessen nach Dresden zum Verwaltungsgericht, wo er am Vortag bereits seine Klage gegen den Wahlprüfungsbescheid des Landrats eingereicht hatte. Nun legte er noch einen Antrag auf Einstweilige Verfügung nach, um so schnell wie möglich mit Justitias Segen den Bürgermeisterstuhl einnehmen zu dürfen.

„Wir sind uns der Eilbedürftigkeit bewusst“, sagte Gerichtssprecher Hanns-Christian John. Nächsten Dienstag gebe es ein Gespräch mit Fröse und dem Landratsamt, danach werde man schnellstmöglich eine Entscheidung treffen.

IM „Gallinat“

Christoph Fröse war laut Stasi-Akten von 1985 bis zur Auflösung des MfS als Inoffizieller Mitarbeiter aktiv. Sein selbst gewählter Deckname war „Gallinat“.

In dieser Zeit traf er sich 30-mal mit seinem Führungsoffizier und fertigte 28 handgeschriebene Berichte an. Außerdem existieren 14 gesprochene Tonbandberichte.

Wichtigste Aufgabe des IMs war die Sammlung von Informationen über Ausreisewillige. Auf Grundlage der Berichte führte die Stasi sieben operative Personenkontrollen durch.

Für seine IM-Tätigkeit erhielt Fröse Prämien in Höhe von 50, 100 und 150 Mark.

Quelle: Bericht des Untersuchungsausschusses des Gemeinderates Bannewitz von 1992


Leserbriefe

Zum Beitrag „Fröse besetzt Rathaus“ vom 19. April äußern sich Leser aus Bannewitz:

Bitte Gesetze akzeptieren

Herr Fröse, Sie sind doch bestimmt froh, dass eine demokratische Wahl stattgefunden hat und Sie als Sieger hervorgingen? Da haben Sie doch bestimmt der Demokratie in diesem Lande gedankt! Die Demokratie, die bis 1989 hier geherrscht hat und mit diesem Begriff überhaupt nichts zu tun gehabt hat, haben doch auch Sie mit gefördert mit Ihrer IM-Tätigkeit! Auch die Herren Greif und Rechentin sind in das Landratsamt gewählt worden und müssen nun in diesem Amt strikt nach Gesetz arbeiten; und dass nun eines dieser demokratischen Gesetze Ihnen zum Verhängnis werden kann, sollten auch Sie akzeptieren! So ist eben die echte Demokratie ... Und sich nun dieser Demokratie zu widersetzen, wie von Ihnen fabriziert?? Ob das gut ist? Sollten Sie gegen diesen Beschluss klagen oder nicht: Es kostet wieder mal Steuergelder. Ist das alles notwendig? Herr Reinhardt


Ein schwarzer Tag für Bannewitz

Nun haben wir den Salat! Bannewitz ist ohne Bürgermeister, bis auf Weiteres jedenfalls. Nichts ist mit „unserem Christoph“. Seine Besetzungsaktion dürfte ihn nun endgültig auch für die Gerichte als Bürgermeister disqualifiziert haben. Lassen wir Herrn Fröse, alias IM Gallinat, dort, wo er hingehört, in seiner Fahrschule oder auf dem Fußballplatz.

Aber was wird aus Bannewitz? Eine Amtsverweserin kann und wird nichts Großes bewirken, wenn überhaupt, kann sie nur die laufenden Amtsgeschäfte führen. Bannewitz wird zur Verhandlungsmasse zweier Landkreise und der Landeshauptstadt, wenn es zum Beispiel um die nächste Verwaltungsreform geht. War Bannewitz für den Weißeritzkreis noch unverzichtbar, so wird der neue Landkreis (Sächsische Schweiz und Weißeritzkreis) auf den Ort gut und gerne verzichten können und Dresden seinem Ziel, die 500 000er Marke zu überschreiten, ein Stückchen näher kommen. Dann fährt der Stadtbus endlich bis nach Possendorf.

Die Mittelschule ist ohnehin schon so gut wie geschlossen, Bannewitzer Schüler werden nach Dresden oder Freital fahren. Wer soll sich jetzt mit seiner Person einsetzen für den Erhalt der Schule oder gegen den von einer großen Mehrheit nicht gewollten Bau der neuen S 191 quer durch Bannewitzer Fluren und Felder?

Gerade die, die meinten, durch die Wahl von Herrn Fröse einer Eingemeindung zu entgehen, müssen nun feststellen, dass genau das Gegenteil immer wahrscheinlicher wird. Nein, es war keine gute Wahl am 26. Februar, es war ein schwarzer Tag für Bannewitz. Peter Schewe


Überprüfung braucht Zeit

Sächsische Zeitung 21. April 2006

Streit. Warum darf ein Ex-IM kein Bürgermeister sein? Die SZ fragte dazu Lothar Hofner, Sprecher des Innenministeriums.

In Bannewitz wurde ein früherer Stasi-Mitarbeiter zum Bürgermeister gewählt. Warum darf er sein Amt nicht antreten?

Die Wählbarkeit ist in der Sächsischen Verfassung, im Landes-Beamtengesetz und in der Gemeindeordnung geregelt. Danach ist zum Bürgermeister nur wählbar, wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt.

Das gilt für alle Bundesländer?

Ja. Darüber hinaus wurde dies in Sachsen insofern konkretisiert, als grundsätzlich nicht ins Beamtenverhältnis übernommen und damit nicht Bürgermeister werden darf, wer für das frühere Ministerium für Staatssicherheit bzw. Amt für nationale Sicherheit tätig war. Dieser Personenkreis wird aber nicht automatisch von der Berufung ins Beamtenverhältnis ausgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof hat eine zweistufige Rechtssprechung entwickelt: Zunächst bedarf es der Feststellung der Tätigkeit für das MfS. Erst danach ist festzustellen, ob der Bewerber für das Amt des Bürgermeisters untragbar erscheint. Die abschließende Beurteilung der Wählbarkeit darf die spätere Entwicklung des Bewerbers nicht ausblenden. Es muss eine ergebnisoffene und zukunftsoffene Prognose gemacht werden.

Warum erfolgt diese Prüfung nicht vor der Wahl, um späteren Ärger wie jetzt in Bannewitz zu vermeiden?

Die einzelfallbezogene Prüfung ist so aufwendig, dass sie vor der Wahl in der Kürze der Zeit nicht geleistet werden kann. Zumal alle zugelassenen Bewerber überprüft werden müssten, also auch die, die bei der Wahl unterliegen. Das wäre nicht verwaltungsökonomisch.

Das Gesetz steht in diesem Fall also über dem Wählerwillen?

In der Tat. Das Wahlvolk der Gemeinde hat keinen Anspruch auf Ernennung einer unwählbaren Person zum Bürgermeister.

Der verhinderte Bürgermeister von Bannewitz, Christoph Fröse, hat Klage eingereicht und Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Wer zahlt die Gerichtskosten?

Grundsätzlich die im Rechtsstreit unterlegene Partei.

Die Fragen stellte Steffen Klameth

Fall Fröse: Das Gericht hat das Wort

Von Domokos Szabó, Sächsische Zeitung 22. April 2006

Bannewitz. Kommende Woche soll die Entscheidung zu zwei Eilanträgen fallen.

In der nächsten Woche dürfte die Entscheidung fallen, ob der selbstständige Fahrlehrer Christoph Fröse (parteilos) trotz der Ablehnung durch die Kommunalaufsicht des Weißeritzkreises sein Amt als Bannewitzer Bürgermeister vorläufig antreten darf.

Das Landratsamt hält Fröse aufgrund seiner Stasivergangenheit für untragbar. Gegen diesen Beschluss hat der selbstständige Fahrlehrer Klage eingereicht. Bereits am kommenden Dienstag sehen sich die Streitparteien vor dem Verwaltungsgericht Dresden wieder. Dabei geht es allerdings nicht um die Klage selbst, sondern um einstweilige Verfügungen. Fröse möchte bereits jetzt und nicht erst nach einem eventuell in seinem Sinne gefällten Urteil als Ratschef loslegen. Der 51-Jährige geht deshalb sowohl gegen das Landratsamt als auch gegen die Gemeindeverwaltung vor, die ihm den Zutritt zu den Diensträumen verwehrt (die SZ berichtete). Das Landratsamt rechnet noch im Laufe der Woche mit einer Entscheidung, im Gericht ist von „schnellstmöglich“ die Rede.

Auf jeden Fall findet die Sitzung des Gemeinderates am Montag ohne die geplante Vereidigung des Bürgermeisters statt. Auch über die Wahl eines Amtsverwesers wird den Plänen nach nicht diskutiert, zumindest nicht im öffentlichen Teil. Vize-Bürgermeister Peter Schlobach (Freie Wähler): „Wir warten den Gerichtstermin ab.“


Gericht entschied: Fröse tritt sein Amt nicht an

DNN 26. 04. 2006

Im Fall des Bannewitzers Christoph Fröse (parteilos) entschied gestern das Verwaltungsgericht Dresden: "Fröse wird sein Bürgermeisteramt vorläufig nicht antreten." Im Ergebnis der Verhandlung sei es zu einem Vergleich gekommen, informierte gestern Gerichtssprecher Robert Bender auf DNN-Anfrage. Das Landratsamt Weißeritzkreis hatte Fröse bescheinigt, wegen seiner Stasi-Vergangenheit nicht als Bürgermeister geeignet zu sein. Der selbstständige Fahrlehrer reichte daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht Dresden ein. Und um seinen Amtsstuhl noch vor dem Gerichtstermin in Beschlag nehmen zu können, schob der 51-Jährige eine einstweilige Verfügung hinterher. Nach der gestrigen Abfuhr setzt der Bannewitzer nun auf die Hauptverhandlung Mitte Juli. Je nach Ausgang wird Fröse entweder in die Amtsstube einziehen oder die Bannewitzer müssen erneut an die Wahlurnen.

Mit den Amtsgeschäften sind bis dahin die beiden Stellvertreter Marion Neugebauer (Bürgergemeinschaft) und Dr. Peter Schlobach (Freie Wählervereinigung) betraut.


Eilantrag bleibt ohne Erfolg

Von Domokos Szabó, Sächsische Zeitung 26. 04. 2006

Bannewitz. Christoph Fröse, der stasibelastete Wahlsieger, kann sein Amt als Bürgermeister weiterhin nicht antreten.

Christoph Fröse (parteilos) wird in den nächsten Tagen nicht als Bürgermeister ins Rathaus einziehen. Der 51-Jährige hat gestern einen entsprechenden Eilantrag an das Verwaltungsgericht Dresden selbst fallen gelassen. Mit einer einstweiligen Verfügung wollte Fröse zunächst seinen sofortigen Amtsantritt durchsetzen – noch bevor das Verwaltungsgericht über seine Klage gegen die Kommunalaufsicht in Dippoldiswalde entscheidet. Diese Behörde hatte Fröse den Amtsantritt verwehrt, weil er „intensiv“ für die Stasi gespitzelt habe.
Beim gestrigen Termin machte das Gericht dem Kläger deutlich, dass sein Eilantrag keine Erfolgsaussicht habe. Gleichzeitig gab der vorsitzende Richter Christoph Je-staedt zu Protokoll, in der Hauptsache rasch ein Urteil fällen zu wollen. Bereits Mitte Juli soll es eine Entscheidung geben. Unklar ist, ob die Gemeinde bis dahin einen Amtsverweser einsetzt.

Der im Februar gewählte Fröse hatte in seinem Eilantrag mit einer Panne bei der Veröffentlichung des Wahlergebnisses argumentiert. Aus seiner Sicht begann die Wahlprüfungsfrist bereits am 3. März, obwohl die damalige Bekanntmachung im Amtsblatt eine falsche Zahl enthielt. Nach Auffassung des Gerichts waren jedoch die Tage erst ab der richtigen Bekanntmachung am 17. März zu zählen gewesen. Damit habe das Landratsamt mit seinem negativen Bescheid vom 13. April die Vier-Wochen-Frist eingehalten. Zunächst sei „ein anderes Wahlergebnis“ bekannt gemacht worden, sagte Richter Jestaedt. Auch mache der Eilantrag den Bescheid nicht „schwebend unwirksam“, so das Gericht mit Blick auf das Wahlgesetz. Nun wird das Hauptverfahren vorbereitet.