Die Diskussionen um die frühere Mitarbeit von Beschäftigten des Mitteldeutschen Rundfunks bei der Staatssicherheit der DDR um die Jahrtausendwende herum hatte mich veranlasst, nach vielen Jahren einmal wieder meine Stasi-Akte zu lesen. Ich hatte im Juni 1995 Einsicht in die damals vier Mappen mit mehr als 200 Seiten umfassenden Unterlagen erhalten und mir 80 Seiten davon als Erinnerung kopieren lassen.



Ich erinnere mich noch gut, wie ich 1995 beim Lesen ständig zwischen Lachen und Weinen hin und her gerissen worden bin. Lächerlich war das Ganze, weil die stasi Legenden um mich herum aufgebaut hatte, die den Schluss nahelegten, ich sei ein Staatsfeind gewesen, der ich so nie war. Zumindest bis zum Verbot des “Sputnik” 1988 nicht.
Lächerlich war es auch, weil die Unterlagen von der Banalität dieser Behörde und vom Beamtenwesen ihrer Mitarbeiter zeugten. Lächerlich, weil sie trotz hohem Aufwand die wirklich wichtigen Dinge über mich nicht wussten.
Wütend und traurig machte mich das Aktenstudium, weil ich bereits mit 13 Jahren das erste Mal aktenkundig wurde. Mein Gott, ich war ein Kind! Zum Heulen war mir, als ich lesen musste, wie die stasi Menschen, die ich sehr gern hatte, für ihre Zwecke einzuspannen versuchte und wie es in einigen Fällen auch gelang.
Dass ich mehrmals über Tage hinweg beschatten worden war und die Mitarbeiter öfter mal in meiner Wohnung waren, ohne dass ich zu Hause war, dass da technische Abhöreinrichtungen angebracht worden sind, ist noch im Nachhinein verletzend.
Mein Berufswunsch Journalistik ist mir in der DDR verwehrt worden. Auch darüber geben diese Unterlagen Auskunft. Mein Leben hat sich seither anders entwickelt, und ich bin dankbar für dieses Leben! Dennoch erfüllt es mich mit ohnmächtiger Wut, wen ich vor diesem Hintergrund erfahren muss, wie Menschen meinen Traumberuf ausüben, die zu denen gehören, die mich damals bespitzelt haben.
Es fällt mir schwer, Vergebung zu üben, ich empfinde da einfach nur Bitterkeit.
Indem ich diese Akte “provokateur” auszugsweise hier zur Kenntnis gebe, versuche ich ein weiteres Stück Aufarbeitung: Mit dem Abschreiben der Dokumente findet auch eine neuerliche Auseinandersetzung mit ihnen statt. Wut, Trauer, Hilflosigkeit und Enttäuschung brechen wieder auf.
Dem unvoreingenommenen Leser geben die Dokumente Auskunft über ein Stück meines Lebens und - aus der Sicht von Menschen, die mich nicht kannten - über mich selbst. Namen und Passagen, die Auskunft über andere Personen als mich selbst geben, sind unkenntlich gemacht. Die Veröffentlichung der Dokumente wird demnächst fortgesetzt.