Christen sind also nach Brandenburgs Innenminister Schönbohm die besseren Menschen. Ich bin immer noch fassungslos und entsetzt über die These, dass die Tötung von 9 Kindern in Brandenburg ihre Ursache in der "erzwungenen Proletarisierung" ländlicher Räume im Osten hätte. Und er legt heute noch nach: «In der DDR war es ja auch so, dass man gut dabei fuhr, wenn man nicht zu sehr Anteil nahm am Nachbarn oder anderen Dingen», lese ich in der Netzeitung. Was für ein horrender Unsinn, der mit der Lebenswirklichkeit überhaupt nichts zu tun hat.
Ich halte diese Thesen für brandgefährlich. Vor allem, weil sie, wie weiland Rüttgers, die These aufstellt, dass es "bessere" und "schlechtere" Menschen gibt. Das ist für mich schon eine Art Rassismus. Und es ist, mit Verlaub, überhaupt nicht christlich. Es ist ein Märchen, dass Werte nur durch das Christentum vermittelt werden können, wie Schönbohm Glauben machen will. Hier ahne ich auch die eigentliche Stoßrichtung dieser gezielten Provokationen: einerseits natürlich gegen die Linken, die "vaterlandslosen Gesellen", die ja auch in Brandenburg die CDU mittlerweile in den Umfragen zu überflügeln scheinen. Aber eben auch gegen alle andersgläubige, z. B. den Islam. Was macht es schon für einen Unterschied: Kindstöter, Selbstmordattentäter - alles eine Soße.
Auch theologisch ist die These, dass Christen die besseren Menschen und im Alleinbesitz der Wahrheit seien, verkehrt. Tatsächlich zeichnet m.E. einen Christen vor allem aus, dass er erkannt hat, dass er "sündig" ist und er die Befreiung von seinen Sünden von Gott erhofft. Eine solche demütige Lebenshaltung geht Pseudo-Christen wie Rüttgers und Schönbohm völlig ab, fürchte ich. Also, ich kann hoffen, das Gott mir meine Schuld vergibt, und ich kann auch für die Frau, die ihre Kinder getötet hat, dasselbe hoffen. Christen wollen nicht die besseren Menschen sein, auch nicht mit Hilfe eines Bekenntnisses. Sie wollen vor allem bei denen sein, die ganz unten sind - davon lässt Schönbohm nichts spüren.
Es wäre schön, wenn in den Kirchen dieses Landes an diesem Wochenende darüber gesprochen wird, ob wir Christen die besseren Menschen sind, ob und wie es uns tatsächlich gelingen kann, in einer Welt der Beliebigkeit und Austauschbarkeit Werte zu setzen - und zwar gemeinsam mit Atheisten, Muslimen, Buddhisten usw. Und ich würde mich freuen, wenn ich auf diese Gedanken hier auch ein paar Reaktionen bekäme...