Andreas Warschau von den Grünen will Landrat werden. Seit der Wende ist er überzeugt: Alles kann sich ändern.
Von Jana Klameth, Sächsische Zeitung, Donnerstag, 29. Mai 2008
Manche Klischees stimmen einfach: Andreas Warschau ist Grüner – und besitzt kein Auto. Deshalb sieht sein Landrats-Wahlkampf auch etwas anders aus: Er geht wandern, er radelt die Elbe entlang, er rührt im Solarkocher ein grünes Süppchen an. Und Warschau bestätigt noch ein Klischee: Als Junggeselle frühstückt er nur selten zu Hause. Lieber verbringt er die Zeit zwischen zwei Zügen im Restaurant auf dem Dresdner Hauptbahnhof: „Da kann man so schön Leute beobachten.“
Single ist der 43-Jährige nach eigener Aussage nur notgedrungen. „Eigentlich bin ich durch und durch ein Familienmensch.“ Warschau hat vier ältere Brüder, mit denen er bis heute eng verbandelt ist. Er wohnt bei einem der Brüder in Altenberg zur Untermiete; sein Haus in Hermsdorf bei Ottendorf-Okrylla betrachtet er eher als Altersvorsorge.
Stasi-Akte auf Internetseite
Seine Familie sei auch zum Großteil „schuld“ an seinem politischen Engagement. „Mein Vater, der leider schon 1978 gestorben ist, hat immer von uns gefordert, unsere Meinung zu sagen.“ Das habe er gemacht – und ist in der DDR immer wieder angeeckt. Zwar konnte er nach dem Abi noch einen Volontärsplatz bei der SZ ergattern, doch während der folgenden dreijährigen Armeezeit habe er sich bei seinen Vorgesetzten unbeliebt gemacht; ins Detail will Warschau dabei nicht gehen. Am Ende wurde er vom Unteroffizier zum Soldaten degradiert – der sichere Studienplatz war futsch. „Ich stand plötzlich ohne alles da und musste mir eine Arbeit suchen. Das war unter den Voraussetzungen gar nicht so einfach“, erinnert er sich.
Im Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) qualifizierte er sich schließlich zum Elektronikfacharbeiter, wurde zum Gewerkschaftsvertrauensmann gewählt. „Das wollte keiner machen. Ich hatte die Vorgänge in Polen beobachtet und gehofft, dass ich da vielleicht an der richtigen Stelle bin.“ Das ging nicht lange gut. Als die Partei damals schnellstmöglich den Mega-Chip verlangte und Überstunden gefahren wurden, machte sich Warschau für die Einhaltung des Arbeitsschutzes stark. Erst im Betrieb, dann bei der DDR-Fernsehredaktion „Prisma“. „Daraufhin bekam ich Besuch von der Betriebsleitung, der Partei, der Gewerkschaft und zwei Herrn, die sich nicht vorstellten“, erinnert sich Warschau.
Aus dieser Zeit stammt der „operative Vorgang Provokateur“. Über 200 Seiten dick ist die Stasi-Akte, Teile kann man auf Warschaus Internetseite nachlesen.
Parlamentarischer Berater
„Die Stasi machte mir das Leben zur Hölle“, sagt Warschau. Seine Privatwohnung wurde verwanzt, Freunde wurden über ihn ausgefragt, im Betrieb gab es Ärger. Warschau kündigte und suchte sich eine Nische. Ein Lichtblick in dieser Zeit war die Geburt seiner Tochter Elise. „Sie ist mein großes Glück im Leben“, sagt er heute.
Dann kam die Wende. „Und ich habe erfahren: Dinge können sich ändern, auch Minderheiten können etwas bewegen!“ Für Warschau ist das bis heute Antrieb. Auch dafür, als Landrat zu kandidieren. „Die Chancen sind wohl eher gering“, meint selbst sein Pirnaer Parteifreund Reiner Rauch, „aber Andreas wäre ein toller Landrat.“
Warschau kann das nicht entmutigen: „Erstens wollte ich der CDU nicht das Feld überlassen – ein zweiter Wahlgang wäre schon ein Erfolg. Zweitens kann ich mit meinem Wahlkampf grüne Themen populärer machen. Und drittens bin ich wirklich überzeugt, dass sich Dinge ändern können.“
Gegen neue Straßen
Gerüstet für den Job des Landrats fühlt er sich jedenfalls – dank seiner Arbeit als Kreisrat im Weißeritzkreis und als parlamentarischer Berater der Bündnisgrünen im Sächsischen Landtag. „Außerdem habe ich Visionen und die nötigen Führungsqualitäten“, sagt er.
Dabei weiß er, dass seine Ansichten oft nicht mit denen der großen Mehrheit konform gehen: Er ist konsequent gegen Straßenneubau: „Das Geld sollte man besser in den Erhalt vorhandener Straßen und in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs stecken.“ Er ist gegen den Ausbau der Biathlonanlage in Altenberg: „Angesichts des Klimawandels ist das Geldverschwendung.“ Und er ist auch gegen das Erschließen neuer Wohngebiete auf der grünen Wiese, so wie in Freital geplant: „Der demografische Wandel zwingt dazu, eher die städtischen Lücken zu bebauen, die bereits gut erschlossen sind.“
Damit die Leute überhaupt wissen, dass es auch eine grüne Alternative gibt, will auch seine Partei noch einige Plakate aufhängen – auch wenn man „eigentlich gegen diese Umweltvermüllung“ sei, wie Warschau sagt. Es gibt da nur ein kleines Problem: Warschau ist bei Weitem nicht der einzige Grüne ohne eigenes Auto. „Deshalb werden wir in den nächsten Tagen Fahrzeuge bei ,Teil-Auto‘ – wo sich mehrere Menschen ein Auto teilen – anmieten“, kündigt Warschau an. Manche Klischees stimmen eben.